Das Schweizer Architekten-Know-how für Isny geht in die zweite Runde: Vier Jahre nach dem Bürgerentscheid gegen seinen Entwurf eines neuen Stadttors aus Glas kehrt Peter Zumthor ins Allgäu zurück. Diesmal soll der mehrfach international ausgezeichnete Architekt aus Basel der Appretur, einem historischen Industriegebäude direkt an der Stadtmauer von Isny, neues Leben einhauchen. Jedoch nicht als ausführender Architekt, sondern als Jurymitglied eines Architektur-Wettbewerbs. Die Entwürfe hierfür kommen von 20 Master-Studenten der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung in Konstanz (HTWG) und werden am 22. September in der Appretur präsentiert. Sie sollen den Blick frei machen für kreative Möglichkeiten der gemeinschaftlichen Nutzung des leerstehenden Gebäudes. Ins Leben gerufen hat den Wettbewerb der Verein „Freunde der Appretur Isny e.V.“, der sich für den Erhalt des historischen Kulturdenkmals einsetzt.
„Wir sind wirklich stolz, dass wir Peter Zumthor, als einen der berühmtesten und begnadetsten Architekten der Schweiz, für unser Projekt begeistern und ihn als Jury-Mitglied gewinnen konnten. Als ehemaliger Denkmalpfleger und mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung wird er uns helfen, den Entwurf zu finden, der die bestmögliche Nutzung der Appretur garantiert und dabei gleichzeitig den einzigartigen Charme des historischen Gebäudes unterstreicht“, erklärt Petra Eyssel, erste Vorsitzende des Vereins „Freunde der Appretur Isny e.V.“. 1832 ursprünglich als Fabrik für Leinen- und Baumwolltücher erbaut, später dann als städtische Sozialwohnungen genutzt, bot die Appretur über 140 Jahre hinweg zahlreichen Menschen ein Zuhause, bevor 2012 die letzte Familie auszog.
Dass Peter Zumthor, der 2009 für sein Lebenswerk mit dem höchsten Architekturpreis, dem Pitzker-Preis, ausgezeichnet wurde, noch einmal nach Isny zurückkehrt, ist dabei nicht selbstverständlich. Im Februar 2012 lehnten die Bürger aus Isny nämlich Zumthors Entwurf für ein neues Stadttor strikt ab. Ganze 72 Prozent waren gegen das von ihm geplante Tor aus gläsernen Ziegeln, das zum neuen Wahrzeichen von Isny avancieren sollte. Kein bisschen pikiert von der Entscheidung der Bürger, will der Schweizer Architekt jetzt das neue Projekt „Appretur“ begleiten. Allein schon aus Sympathie zu den Menschen in Isny kehre er zurück, wie er in einem Brief an Eyssel mitteilte.
Wie die Zukunft der Appretur aussehen soll, ist dabei noch offen. 20 Architektur-Studenten der HTWG in Konstanz tüfteln gerade an kreativen Nutzungsmöglichkeiten, zuvor hatten sie sich bei einem Besuch in Isny selbst vom Charme des historischen Gebäudes inspirieren lassen. „Wir sind allen möglichen Ideen gegenüber aufgeschlossen“, so Eyssel. Im Fokus steht dabei die nachhaltige gemeinschaftliche Nutzung des Gebäudes. „Die Appretur soll wieder zum Verweilen einladen, ein Ort werden, an dem man sich eben gerne aufhält. Sie war seit jeher ein Stück Heimat für die Bürger von Isny. Genau diese Atmosphäre des Gebäudes wollen wir durch unsere Initiative wiedererwecken“, erklärt Eyssel weiter.
Am 22. September werden die Architektur-Entwürfe der Studenten dann der Öffentlichkeit präsentiert und zwar im Dachgeschoss der Appretur. Zusammen mit Isnys Bürgermeister Rainer Magenreuter und anderen Jury-Mitgliedern wird Peter Zumthor die verschiedenen Ideen prämieren.
Organisiert wird das Projekt vom Verein „Freunde der Appretur Isny e.V.“, in Zusammenarbeit mit der Stadt Isny und vielen interessierten Bürgern. Mithilfe von Crowdfunding oder „Viele schaffen mehr“, einer Online-Spenden-Plattform der Volksbank Allgäu West, kann jeder Einzelne bei der Finanzierung des Projektes mitwirken. Ganz nach dem Motto „Ein Ort für Alle – getragen von Vielen“.
Weitere Informationen unter www.appretur-isny.de.
Über die Appretur:
Das Gebäude der Appretur steht für die frühe Industrialisierung in Isny. Ihr Erbauer, Christoph Ulrich Springer (1780-1845), zählte zu den bedeutendsten württembergischen Unternehmern. 1832 entstand die Appretur an der Stadtmauer nach Art der Schweizer Betriebe, um die Leinen- und Baumwolltücher im eigenen Betrieb zu veredeln. 1858 wurde die Herstellung von Baumwoll- und Leinengewebe komplett eingestellt. 1872 als Arbeiterwohngebäude mit Freigang auf der Stadtmauer umgebaut bot die Appretur später als städtischer Sozialwohnraum gesellschaftlich benachteiligten Menschen ein Zuhause. 2012 zog die letzte Familie aus der Appretur aus.
Über den Verein „Freunde der Appretur Isny e.V.“:
Der Verein „Freunde der Appretur Isny e.V.“ setzt sich für den Erhalt der Isnyer Appretur mit seinem gewachsenen Ensemble Stadtmauer, Diebsturm, Appretur mit Grabenweiher ein. Das Gebäude soll mit Leben gefüllt werden. Hierfür wird ein Konzept erstellt. Bürger beteiligen sich am Prozess, der in Zusammenarbeit mit der Stadt Isny entwickelt wird.